VZ WAZ/VZWAZ-Nr01/VZWAZ-1997_Jan+Feb_0021.pdf

Medien

Teil von WAZ 03.01.1997

extracted text
KULTUR

NUMMER 2

A U F EIN W ORT

NRW-Museen
trumpfen auf

Tierschutz
Das alte Jahr ist überstan­
den, das neue hat uns kalt im
Griff. Natürlich haben wir den
Wechsel angemessen voll­
zogen, medien- und traditi­
onsbewußt: Ekel Alfreds un­
verwelkte Haßtiraden, das
Silvesterkonzert der Berliner
Philharmoniker und das Neu­
jahrskonzert der Wiener (oh­
ne Radetzky-Marsch - wie
das?).
Und natürlich haben wir
Miss Sophie beim „Dinner for
One” ohne Arg und mit ge­
wohnter Schadenfreude zu­
geschaut. Doch was mußten
wir lesen, hernach? Das Bon­
ner Bundesamt für Natur­

Große Ausstellungen 1997
Quer durch Epochen und
Kulturen führt der Weg, zu
dem die nordrhein-westfä­
lischen Museen in diesem
Jahr einladen.
Vom Kunsthandwerk zu den
Meistern der Klassischen Mo­
derne, von der „Fremdheit”
Afrikas und der Antike zu be­
rühmten Gegenwartskünstlem
reicht das Spektrum.
Große Aufmerksamkeit ver­
dient die Eröffnung zweier Mu­
seen am Niederrhein: In Kleve
wird das historische Kurhaus ab
Mitte April zum Hort der zeit­
genössischen Kunst; wenige Ki­
lometer entfernt öffnet Schloß
Moyland mit der Sammlung der
Brüder van der Grinten und ei­
nem Beuys-Schwerpunkt.
Aus den Steppen Südruß­
lands kommt das sagenumwo-

Antikes Gold
aus Rußland
bene antike Gold der Skythen
an den Rhein, wenn sich ab 20.
Februar die Petersburger Ere­
mitage in der Bonner Bundes­
kunsthalle vorstellt.
Aus der hochrangigen Gen­
fer Afrika-Sammlung Barbierjvfueller werden in Bielefelds
Kunsthalle Masken (ab 15.
Mai) und ab dem 21. März die
Africana-Kollektion des fran­
zösischen Bildhauers Arman
im Kölner Völkerkundemu­
seum zu bestaunen sein.
Porzellan von den Meistern
der Meissener Manufaktur des
18. Jh. steht ab 19. Januar in den
Vitrinen des Düsseldorfer Hetjens-Museums.
Die Verbindung von Beuys
mit dem-Mittelalter untersucht

im Januar eine Ausstellung im
Schnütgen-Museum in Köln.
Das dortige Museum Ludwig
setzt mit der aus New York
kommenden Jasper-Johns-Retrospektive ab 8. März auf die
Ausstrahlung dieses großen
Einzelgängers der Pop-Art.
„Zwischen Genie und Wahn­
sinn”, so der Ausstellungstitel,
liegt das Werk des russischen
Malers Michail Wrubel, den die
Düsseldorfer Kunsthalle vor­
stellt. Im Sommer ist die Kunst­
halle für eine Dokumentarschau zu Leben und Werk
Heinrich Heines reserviert.
Plastiken von Malern aus der
Zeit zwischen Degas und Ger­
hard Richter wird das Folkln weiße Offiziersuniformen
wang-Museum Essen vorstel­ hat Holk Freytag die Angeklag­
len. Im Sommer verwandelt ten gekleidet, die Peter Weiss in
sich Münster in eine große seinem Oratorium „Die Ermitt­
Skulpturenschau, bei der - wie lung" zur Verantwortung zieht.
bereits 1977 und 1987 - viele Es ist das Weiß uneingestande­
Gegenwartskünstler neue Ar­ ner Schuld - Symbol auch für die
beiten in der Stadt aufbauen.
verdrängte NS-Vergangenheit.
Traditioneller geht es dann in
Die Inszenierung des Stücks,
Münsters Landesmuseum im das der deutsch-schwedische
Herbst mit Aquarellen von Au­
gust Macke zu. Freunde der
Klassischen Moderne kommen
mit Kokoschka und Klimt bei
„Wien um 1900” in Wuppertal
ebenso auf ihre Kosten wie in
d er Düsseldorfer Kunstsamm­
lung NRW ab September mit
einer Max-Beckmann-Schau.
Glutvoll, hitzig, eben spa­
Liebhaber der Gegenwart­ nisch: Mit der Verfilmung
kunst sollten sich Sigmar Polke der „Carmen” landete Car­
in Bonn, Hödicke in Wupper­ los Saura 1983 einen Welt­
tal, Martin Kippenberger in erfolg. Morgen wird der
Mönchengladbach und Ansgar Regisseur 65 Jahre.
Nierhoff in Essen sowie eine er­
ste Bestandsaufnahme infor­
Über ein Ingenieur- und ein
meller Kunst in Dortmund (ab Fotografiestudium kam der
2. März) vormerken.
Sohn eines Juristen und einer
Gerd Korinthenberg (dpa) Konzertpianistin aus Madrid
Eine Vorschau auf die internatio­ zum Film. Dampfende Sinn­
nale Kunstszen© folgt. - lichkeit im stampfenden Rhyth­
mus des Flamenco, das brachte
Saura noch zweimal auf die
Leinwand. Und zwar mit „Blut­
hochzeit” (1981) und „Liebes­
zauber” (1986), ebenfalls nach
literarischen Vorlagen.
O hne diese Filme wäre der
spanische Regisseur hierzulan­
de nur einem kleineren Publi­
kum bekannt, und daß, obwohl
einige seiner 30 Werke mit in­
ternationalen Preisen ausge-

Tribunal der verdrängten Schuld
Autor nach Protokollen des
Frankfurter Auschwitz-Prozes­
ses schrieb, besticht durch eine
kühle Distanz, die zum Nach­
denken anregt. Wolf Münzner
hat die Bühne zum abstrakten
Tribunal gestaltet, über dem Fo­
tos von den Tatorten der Barba­
rei aufleuchten. In bewunderns­
wert deutlicher Diktion wachsen

die Darsteller zum Chor der Op­
fer und Täter, der um Versöh­
nung durch Einsicht wirbt. Das
Bild zeigt Friederike TiefenbacheralsZeugin. Neben Lessings
Toleranzdrama „Nathan der
Weise” ist „Die Ermittlung” ab 4.
Januar wieder im Wuppertaler
Schauspielzu sehen. (Tel. 0202/
5694444). -sen/Bild:Stratmann

Carmen hautnah
Regisseur Carlos Saura wird 65
zeichnet wurden. Daß diese Fil­
me eher auf der TV-Mitternachtsschiene fahren, mag dar­
an liegen, daß eigentlich nicht
der laute Flamenco-Rhythmus,
sondern die symbolhaltige Ge­
sellschaftskritik Sauras Mar­
kenzeichen ist.
Deshalb hatte er im Spanien
Francos regelmäßig Ärger mit
der Zensur: „Die Jagd” .(1966)
zeigte ebenso wie „Züchte Ra­
ben” (1975) die selbstzerstöre­
rische Neigung des spanischen
Bürgertums, im „Garten der Lü­
ste” (1970) fühlten sich die Spa­
nier an die Person des Diktators
erinnert. „Anna und die Wölfe”
(1972) mußte monatelang auf
die Aufführung warten.
Angebote aus Hollywood
lehnte Saura ab, weil er sich
dort zu eingeengt fühlte. Zu sei­
nen Hauptdarstellerinnen ge­
hören u. a. Isabelle Adjani,

Das schwierige Zusammenleben der Glaubensgruppen in Hebron
ln Hebron leben 500 jüdi­
sche Siedler mit 130 000
Palästinensern zusam­
men. Es ist eine proble­
matische Gemeinschaft.
Kaum jemand in Hebron
sehnt das Abkommen über den
Teilabzug der israelischen
Trappen so sehr herbei wie die

rund 40 palästinensischen Fa­
milien und die verbliebenen La­
deninhaber an der Schuhada,
zu deutsch „Straße der Märty­
rer”. Ihre Straße führt mitten
durch das jüdische Viertel der
Stadt im Westjordanland.
Jeder Rückschlag in den is­
raelisch-palästinensischen Be­
ziehungen wirkt sich unmittel­

bar auf das Leben der Men­
schen dort aus. In den letzten
drei Jahren ist beängstigende
Ruhe eingekehrt. Die wirklich
schlechten Zeiten begannen für
die Anwohner m it der Bluttat
eines israelischen Siedlers im
Februar 1994. N ach dem Mord
an 29 betenden Moslems in der
Ibrahim-Moschee sperrten die

Israels Rückzüge aus
dem Westjordanland 1995

sters zuständig. Ein Rettungs­
modell, das der Stadt 51 Pro­
zent, dem Land 49 Prozent der
Kosten aufbürden würde, wird
von der Kommune rigoros ab­
gelehnt. Das Land Thüringen
will in Suhl keinen Präzedenz­
fall schaffen. Alle Orchester des
Landes wechselten nach der

Der Schauspieler
LewAyresisttot

Das Symposion „Jubel­
schreie und Trauergesänge”
widmet sich in Zusammen­
arbeit mit der Mercator-Universität Duisburg bis zum 5.
Januar in der Evangelischen
Akademie Mühlheim dem
Umgang mit deutscher Ge­
schichte. Experten wie Joa­
chim Gauck und Historiker
diskutieren über den Natio­
nalsozialismus und über Ge­
waltin der DDR.
(waz)

Durch den Antikriegsfilm
„Im Westen nichts Neues”
wurde Lew Ayres 1930 be­
rühmt. Jetzt starb der ameri­
kanische Schauspieler weni­
ge Tage nach seinem 88. G e­
burtstag. In der Verfilmung
von Remarques gleichnami­
gem Roman spielte Ayres ei­
nen deutschen Soldaten, der
erschossen wird. Im 2. Welt­
krieg weigerte sich Ayres zu
kämpfen.
(dpa)

Regisseur Carlos Saura
Hanna Schygulla und vor allem
Geraldine Chaplin, mit der er
zehn Jahre zusammenlebte.
In seinem neuen Film „Taxi”
(1996) blendet Saura auf die
dunklen Stellen der Gesell­
schaft: Taxifahrer machen Jagd
auf Drogensüchtige und Prosti­
tuierte. Demnächst wohl im
TV-Nachtprogramm.
Michael Vaupel

Wende die Trägerschaft. Bleibt
Suhl in der Hand des Landes,
befürchtet Kulturminister Gerd
Schuchardt (SPD) den Ruf vie­
ler Städte um Hilfe aus Erfurt.
Aus Konkurrenzgründen bleibt
der Minister hart. Die Orche­
stermusiker bangen weiter um
ihren Arbeitsplatz.
(dpa)

„Die Nacht kurz vor den Wäldern”, ein szenischer Mono­
log des französischen Dramatikers Bemard- Marie Koltes, ist
noch von heute bis Sonntag in der Zeche Hannover in
Bochum-Hordel zu sehen. Die ungewöhnliche Produktion
mit dem Schauspieler Bernd Grawert hat sich als künstleri­
sche Attraktion der freien Szene erwiesen.
(waz)

Der Vielseitige
Komponist Majewski gestorben
Der deutsche Film- und
Fernseh-Komponist
Hans Martin Majewski
ist im Alter von 85 Jah­
ren gestorben.
Mit Gespür für das Spezi­
fische eines Leinwandstoffes
schrieb er Musiken zu Fil­
men wie „Bekenntnisse des
Hochstaplers Felix Krall”,
„Das fliegende Klassenzim­
mer”, „Menschen im Hotel”
und „Die Brücke”.
In seiner Karriere h at Ma­
jewski Melodien zu mehr als
400 Leinwand- und Bild­
schirmproduktionen sowie
zu Theaterstücken und H ör­
spielen komponiert. Er er-

H. M. Majewski um 1960.
hielt das Bundesfilmband in
Gold und den Preis der deut­
schen Rimkritik. (waz/dpa)

israelischen Behörden die Stra­
ße für alle Fahrzeuge mit palä­
stinensischen Kennzeichen. An
drei Stellen wurden Straßen­
sperren errichtet, an denen ara­
bische Passanten überprüft
werden. Viele Wohnungen ste­
hen leer, rund 50 Läden wurden
geschlossen.
Jene, die ausgeharrt haben,
hoffen, daß die Geduld sich aus­
zahlt und das Hebron-Abkom­
men der Schuhada endlich wie­
der ein normales Leben bringt
Die Vereinbarung sieht vor,
daß die israelischen Soldaten
80% der Stadt räumen, in der
rund 500 jüdische Siedler unter

Blickpunkt: H H B I

Hebron

Die Tanzszene Kataloniens steht im Mittelpunkt des
„Meeting Neuer Tanz” in NRW. Drei Compagnien aus dem
Nordosten Spaniens stellen sich neben dem FolkwangTanstudio Essen und dem „Tanztheater aus der Zeche” Bochum
zwischen dem 7. und dem 20. M ärz in Köln, Dortmund,
Düsseldorf, Mühlheim und Recklinghausen vor.
(waz)

Symposion gegen
das Vergessen

NUMMER 2

1

Auf der Straße der Märtyrer

Katalonien Gast beim Tanztest NRW

Koltes Wäldemacht in Bochumer Zeche

Suhler Orchester droht im Sommer die Auflösung
Im thüringischen Suhl droht
ein Orchester mit 74 Musikern
der Finanznot zum Opfer zu fal­
len. Für die Suhler TTiüringenPhilharmonie soll im Sommer
der Schlußakkord erklingen.
Weder die Stadt Suhl noch
das Land Thüringen fühlen sich
für die Finanzierung des Orche­

schutz nimmt Anstoß an der
schönen Leich, die dort in
Gestalt eines Tigerfells das
Speisezimmer
schmückt.
Und an deren ausgestopftem
Haupt Butler James seit 30
Jahren mit unvergleichlicher
Grazie die Auseinanderset­
zung des Subjekts mit der
Tücke des Objekts demon­
striert. Das gebe, so die Bon­
ner Behörde, ein schlechtes
Beispiel. Baff.
Wenn Deutschlands Na­
turschützer keine anderen
Sorgen haben, sehen wir
dem nächsten Geburtstag
von Miss Sophie getrost ent­
gegen - in erwartungsvoller
Freude auf the same procedure as every year.
Jan

B E R IC H T U N D H IN T E R G R U N D

KUR Z & A K T U E L L

Der letzte Paukenschlag

Kinderbild von Michail Wrubel, demnächst in Düsseldorf.

FREITAG, 3. JANUAR 1997

rund 130 000 Palästinensern le­
ben. Die Altstadt, in der die Ju­
den und rund 20 000 Araber le­
ben, soll aberweiter von Israelis
kontrolliert werden.
Selbst wenn sich der israeli­
sche Premier Netanjahu und
Palästinenserpräsident Arafat
endlich einigen, die Fronten un­
ter der Bevölkerung Hebrons
bleiben hart und unerbittlich.
„Ich hoffe, daß die Siedler
hier bald völlig verschwinden.
Sie werden uns noch großen
Ärger machen”, sagt ein 21jähriger Büro-Wächter. Doch die­
se Hoffnung wird sich kaum er­
füllen. Die israelischen Siedler

Hastiger Einstieg
ins neue Jahr
Spanische TV-Uhr war zu schnell
Für Millionen von Spaniern
begann 1997 mit einem Fehl­
start. Wie in jeder Silvester­
nacht hatten die TV-Zuschauer ihre zwölf Weintrau­
ben säuberlich abgezählt,
damit sie um Mitternacht bei
jedem Glockenschlag eine
Traube als Glücksbringer in
den Mund schieben konnten.
Aber diesmal geriet alles
durcheinander. Die Turmuhr
an Madrids „Puerta del Sol”,
deren Glocke im TV das neue
Jahreinläutet, schlug doppelt
so schnell wie sonst. Die Spa­
nier kamen mit ihren Wein­
trauben nicht nach. Beim
zwölften Gongschlag hatte

man gerade erst die vierte
glücksbringende Traube im
Mund. An einen Wunsch, den
die Spanier, während der
Glockenschläge äußern dür­
fen, war gar nicht zu denken.
Der - vermeintlich - Schul­
dige war rasch ausgemacht:
Der Uhrmacher Rodriguez,
der die Turmuhr seit 20 Jah­
ren wartet. Aberder wies jede
Verantwortung von sich: „In
den vergangenen Jahren
hatte ich immer einen Trick
angewandt, damit zwischen
den Schlägen etwas mehr
Zeit blieb. Aber diesmal hat
die Madrider Regionalregie­
rung mirdies verboten.” (dpa)

100 Kurden getötet
Bei Großoffensive der türkischen Armee
ANKARA (dpa) Bei einer
Großoffensive der türkischen
Armee gegen Lager und Stel­
lungen von Rebellen der Arbei­
terpartei Kurdistans (PKK) im
Norden Iraks sind nach offiziel­
len Angaben seit Montag min­
destens 101 militante Kurden
ums Leben gekommen.

Dabei würden Kampfflug­
zeuge des Typs F-4 und Kampf­
hubschrauber die PKK-Stellungen vor allem im Sindi-Tal bom ­
bardieren.
Eine Sprecherin der Kurden
bestritt allerdings die Angaben
über die Opfer. Die Rebellen
hielten ihre Stellung.

„Heimlich” vier
Stunden im Job:
Kein Geld mehr
KASSEL (dpa) Eine Arbeitslo­
se, die eine unbefristete 20Stunden-Stelle als Putzfrau an­
nimmt und dies nicht dem Ar­
beitsamt mitteilt, verliert auch
dann den Anspruch auf Arbeits­
losengeld, wenn sie den Job
schon nach vier Stunden wie­
der aufgibt. Das ha t das Bun­
desarbeitsgericht entschieden.
Entscheidend sei - kurzzeitige
Beschäftigung ist ja erlaubt -,
wieviel Arbeit der Vertrag vor­
sehe (Az.: 7 RAr 112/95).

BERLIN (epd) Das Interesse
der Ostdeutschen an Einsicht
der Stasi-Akten ist ungebro­
chen. Nach Angaben des Bun­
desbeauftragten für die StasiUnterlagen gehen auch fünf
Jahre nach Offenlegung der Ak­
ten monatlich rund 14 000 An­
träge auf Akteneinsicht bei sei­
ner Behörde ein. Die Akten
würden immer offen bleiben,
betonte der Behördenchef. Gut
20% der „gigantischen Materi­
alfülle” seien bislang noch nicht
einmal erschlossen, so daß eine
Verkleinerung der Behörde in
absehbarer Zeit unmöglich sei.

Kritik nach dem Selbstmord-Anschlag in Frankfurt

Die Frankfurter evangelische
Pröpstin Helga Trösken sagte,
sie habe „ganz und gar schreck­
liche Erfahrungen” mit Kame­
raleuten und Fotografen ge­
macht. So sei ein Kameramann

geradewegs auf die Leichen zu­
gestürmt. Außerdem habe es
„fast eine Schlägerei” zwischen
dem Reporter eines Privatsen­
ders und einem Gemeindemit­
glied gegeben, das den Mann
zurückgestoßen habe. Der
Journalist habe dabei ständig
von „Pressefreiheit” gespro­
chen. „Geradezu obszön war
es, wie einer der Fotografen ei­
ne Leiche bei der Einsargung
aufnahm”, fügte Trösken hinzu.
Dieses Foto sei später in einer

Spâtaussiédler in Deutschland

213214
209409

Boulevardzeitung erschienen.
Journalisten hätten sich „in
Trauben” an alle Menschen ge­
hängt, die das Sindiinger Pfarr­
hausbetretenwollten. „Wasdas
für die Angehörigen bedeutete,
kann ich in W orten kaum ausdrücken”, sagte Trösken. Zu­
gleich lobte sie den Hessischen
Rundfunk. Dessen Mitarbeiter
hätten die Kameras beim Ge­
denkgottesdienst so aufgestellt,
daß die Angehörigen der Opfer
nicht ins Bild kamen.

Weniger Aussiedler kamen
1996 nach Deutschland
Deutlich weniger Spätaus­
siedler sind 1996 wie schon im
Jahr zuvor nach Deutschland
gekommen. Hauptursache sei,
daß viele Bewerber den
Sprachtest nicht bestünden.
Uber 172 000 der knapp

178 000 Menschen - rund
40 000 weniger als 1995 - über­
siedelten nach Angaben des In­
nenministeriums aus den Staa­
ten der ehemaligen Sowjetuni­
on; die übrigen kamen meist
aus Polen und Rumänien, (rtr)

Haupt­
V.
Unruhen stadt
W-Austraiien

EL,

Artikel

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Inset­
staat
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lantik

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Nord­ ►
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Kfz-Z.
Finn­
land

Opfer und
Täter zugleich
Die Kinder im Kaukasus-Krieg
Auf den ersten Blick wirkt
der 14jährige Saur Abujew
wie andere Jungen seines Al­
ters - er begeistert sich für
ausländische Autos, Sport
und Actionfilme. Doch seine
Stimme wird zum Flüstern
und die braunen Augen star­
ren ins Leere, wenn der Jun­
ge aus Tschetschenien vom
Krieg erzählt. Saur ist eines
von zahllosen Kindern, die in
den 21 Monaten des Krieges
Leid und Schrecken erfahren
und zum Teil auch selbst ver­
ursacht haben.

IN
GROSNY
NOTIERT

Im August war es, als Saur
zusammen mit einer Gruppe
tschetschenischer Kämpfer
einen russischen Soldaten
ermordete. „Er weinte und
schrie „Mama, Mama, bitte
hilf mir”, erzählt Saur und
hantiert dabei mit einem
Spielzeugauto. „Wir haben
ihm einen Strick um den Hals
gelegt und ihn gehängt.”
Mit Ausbruch des Krieges
im Dezember 1994 wurden
die Kinderheime in Tschet­
schenien geschlossen. Wie
Saur lungerten viele Waisen­
kinder plötzlich auf der Stra­

ße h§rum. Sie folgten den
tschetschenischen
Kämp­
fern und arbeiteten für sie als
Gewehrträger. Tim ur erzählt,
er habe einem Russen die
Augen verbunden, bevor die­
ser von Separatisten mit ei­
nem Schwert ermordet wur­
de. „Ich weiß nicht mehr, wie
er hieß, wir nannten ihn Wanja”, sagt er teilnahmslos.
Heute, mehr als vier Mona­
te nach der Unterzeichnung
des russisch-tschetscheni­
schen Friedensvertrages, le­
ben Saur und seine Freunde
in einer Wohnung in Grosny.
Betreut werden sie von ei­
ner ehemaligen Sanitäterin
der tschetschenischen Ein­
heiten. Adischot Gatajewa.
Aus Spenden finanziert sie
den Lebensunterhalt der 22
Jungen und vier Mädchen.
Die Kinder und Jugendlichen
zwischen vier und 19 Jahren
wohnen in engen, aber sau­
beren Zimmern. Was sie im
Krieg durchgemacht haben,
ist auf den Tapeten zu erken­
nen. Auf einer Wand ist ein
tschetschenischer Kämpfer
mit Maschinengewehr darge­
stellt, auf einer anderen mal­
ten Kinder grüne tschetsche­
nische Flaggen.
„Es ist unglaublich, was
diese Kinder gesehen haben.
Sie haben gemordet, gestoh­
len und Drogen genommen",
sagt Gatajewa. Viele seien
vergewaltigt worden. „Aber
heute nennen sie mich Ma­
ma, und ich betrachte jedes
Kind als mein eigenes.”

Lawrence Sheets (rtr)

Es ging
immer
aufwärts

Interesse an
Stasi-Akten
ungebrochen

Kirchenveitreter entrüstet über
das Verhalten von Kameraleuten
FRANKFURT (epd) Kir­
chenvertreter haben das
Verhalten von Journali­
sten nach dem Handgranaten-Selbstmord in einer
Frankfurter Kirche am Hei­
ligen Abend kritisiert.

denken nicht daran, Hebron zu
verlassen.
Ebenso wie für die Moslems
ist die Stadt für die Juden von
großer religiöser Bedeutung:
Hier soll Abraham begraben lie­
gen. Für die Moslems ist „Ibra­
him” ein wichtiger Prophet; die
Moschee über Abrahams Grab
wird viel besucht.
Den Juden gilt die Stadt ihres
Stammvaters Abraham als erste
jüdische Stadt der Geschichte.
„Hebron ist ein Eckpfeiler.
Wenn man den wegnimmt,
stürzt bald alles ein”, argumen­
tieren radikale Siedler. Seit lan­
gem bereiten sie sich gründlich
auf den „drohenden” Abzug der
israelischen Truppen vor.
Die einen wollen mehr Juden
in Hebron ansiedeln, um die
Widerstandskraft zu stärken.
Andere haben sich bereits m it
illegalen Waffen versorgt, um
ihre Häuser zu verteidigen.
Wie fanatisch israelische
Siedler um Hebron kämpfen,
machte der Anschlag am M itt­
woch deutlich. Ein junger Israe­
li feuerte wahllos in eine M en­
schenmenge auf dem zentralen
Marktplatz. Sein Motiv: Die
Verhandlungen über den israe­
lischen Truppenabzug zu stop­
pen.
Doch auch die Palästinenser
sind nicht zimperlich in der
Wahl ihrer Mittel. Um Siedler
zu vertreiben, werfen sie Molotow-Cocktails auf die jüdischen
Häuser.
(waz/ap)

FREITAG, 3. JANUAR 1997

Abk.:
Oktan­
zahl

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A U FLÖ S U N G
D E S LE TZTE N
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S C H A E R F E



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naturalia/Abk.

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■ E L E M E N T
■ R I T I I K O
A G R A R
■ 1 1
O
O R G E L
■ L A U F



1827

Sie zählt zur Riege der Jün­
geren im Kabinett Kohl: An­
gela Merkel (42), Ministerin
für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit.
Die Diplom-Physikerin, die
aus der DDR-Bürgerbewegung kommt und sich 1990
der CDU zuwandte, hat sich
in Bonn rasch zurechtgefun­
den. Mit Unterstützung von
Kanzler Kohl schaffte sie eine
steile Karriere: Seit 1991
Stellvertreterin des CDUChefs, drei Jahre lang Mini­
sterin für Familie und Jugend.
Aber nicht immer läuft alles
nur glatt. Jetzt eckte Frau
Merkel mit der SPD an. Deren
umweitpolitischer Sprecher
Michael Müller wirft ihr vor,
„schwarze Listen” über kriti­
sche Mitarbeiter im Berliner
Bundes-Umweltamt zu füh­
ren. Das Umwelt-Amt aber

Z u r P e rs o n
A n g e la M erke l
dürfe keine Stelle sein, die
„nur die Interessen der Re­
gierung vertritt und zur Ver­
kündungsbehörde verküm­
mert” . Das nun brachte die
Ministerin in Rage. Schwarze
Listen, die existierten nicht
Ob die Zurückweisung
reicht, wird sich zeigen. Vor­
würfe sind zäh in Bonn. Das
weiß auch Frau Merkel, gey

Familien rufen zum
Steuerprotest auf
Seminar rügt „Ungerechtigkeit"
Von Beate Mertmann
WAZ HALTERN. Zum Pro­
test gegen die „ungerech­
te Steuerpolitik”, die vor
allem Familien mit Kin­
dern benachteilige, hat ein
Seminar der Katholischen
Arbeiterbewegung (KAB)
in Haltern aufgerufen.
Die Bundesregierung begehe
„Steuerdiebstahl” an Familien
mit Kindern, erklärten die Se­
minar-Teilnehmer aus dem
Ruhrgebiet. Sie forderten dazu
auf, W idersprach' gegen den
Steuerbescheid ’96 einzulegen.
„Der Steuerfreibetrag von
522 Mark pro Kind und Monat

liegt unter dem Existenzmini­
mum, das laut Bundesverfas­
sungsgericht steuerfrei sein
m uß”, hieß es. Das Existenzmi­
nimum sei (nach vom Bundes­
verfassungsgericht anerkann­
ter Methode) auf 756 Marie mo­
natlich taxiert worden.
Darüber hinaus führe die
1996 als „Familien-Lastenausgleich” bezeichnete Reform da­
zu, daß z. B. eine Ein-Verdiener-Familie mit drei Kindern
(Bruttolohn 3820 Mark) trotz
erhöhtem Kindergeld nur 55
M ark mehr habe. Dagegen pro­
fitiere ein Ehepaar ohne Kinder
bei gleichem Bruttoverdienst
mit 210 Mark Plus von der Re­
form.